Maria Magdalena Z’Graggen – Malen
Alice Wilke, deuxpiece, 2016, Basel
Herausgeber: Abteilung Kultur Basel-Stadt, Kunstkredit
Will man etwas exakt auf den Punkt bringen, so bedarf es neben einer ausgeklügelten Strategie immer auch einer gewissen Zeit des Vorlaufs. Darin unterscheiden sich gelungene Ergebnisse von reinen Glückstreffern. Monatelange Vorbereitungen, unzählige Proben und Testläufe, die sorgfältige Auswahl und das Präparieren von Material und Gerätschaften, der mentale Aufbau von Spannung, und schliesslich am Tag der Entscheidung das gekonnte Zusammenwirken von mühevoll erlernten Techniken und Konzentration – was zunächst wie der Ablauf eines Spitzensportlers vom Training bis zum Wettkampf klingen mag, das beschreibt gleichermassen den Vorgang des Malprozesses von Maria Magdalena Z'Graggen. Sie fertigt ihre Gemälde im Endeffekt stets "alla prima". Genau deswegen verlangt der Akt des Malens sowohl Massnahmen zur Vorbereitung als auch enorme geistige und physische Präsenz am Kulminationspunkt ihrer Arbeit.
Am Anfang jeder Werkserie steht eine fein abgestimmte Farbpalette mehrerer Töne, die den Grundklang der ganzen Bildfolge bestimmt. Über die Grundierung, das fein geschliffene Gesso, wird auf jedem der vorbereiteten Formate die monochrom farbige Grundierung gelegt – welche im Laufe des Vorgangs zwar unter weiteren Farbschichten verschwinden mag und dennoch als Basis für den Farbaufbau bestehen bleibt. Das Auftragen und Aufschichten der sichtbaren Oberfläche hat in Anbetracht der Maltechnik zwingend in einer einzigen Sitzung zu erfolgen. In mehreren Durchgängen legt Z'Graggen mit dem Spachtel einzelne Bahnen pastoser Ölfarbe auf dem monochromen, noch nassen Malgrund übereinander. So schreiben sich die Spuren ihrer Bewegungen in vertikalen Streifen, in Kreisen, Zirkeln oder Ovalen auf den Bildträger aus Holz oder Leinwand ein.
Die Serie licht (12+1) ist beispielhaft in der Art und Weise, wie Z'Graggen den persönlichen Prozess des Malens selbst zum Gegenstand ihrer Bilder erklärt und der Betrachterin – wenn auch schon vom eigentlichen, spannungsgeladenen und performativen Malakt ausgeschlossen – die Ereignisse im fertigen Bilde selbst nachvollziehbar werden lässt. Der Blick gleitet die einzelnen, senkrecht verlaufenden oder gebogenen Farbbahnen und Krise entlang, die sich zuweilen scharf abgrenzen, andernorts überlagern, wobei sich die einzelnen Farbaufträge auf verblüffende Weise niemals untereinander vermischen, sondern rein und klar bleiben, selbst an jenen kantigen Stellen, an denen sich die überschüssige Farbe zu Schlieren ansammelt und die Plastizität des Gemäldes zusätzlich betont.
Und dennoch beeinflussen sich die Farbtöne untereinander. In unmittelbare Nachbarschaft gebracht, treten sie in Wechselwirkung, reagieren aufeinander und bilden Klänge, mal harmonisch, mal auch eine wenig dissonant. Farben sind in Z'Graggen Werken Form und Inhalt zugleich, die Bilder funktionieren auf visueller und haptischer Ebene gleichermassen, denn die Farben deren Töne die Künstlerin ausschliesslich eingehändigte aus Pigmenten herstellt, sind sowohl Material als auch unmittelbare Sinneseindrücke. Die Gemälde verweisen auf keine Ereignisse und Gegenstände ausserhalb ihrer selbst, vielmehr ist das Gemälde selbst das Ereignis. Z'Graggen arbeitet dabei stets in Serien, deren Einzelwerke ebenso durch Wiederholungen und Variationen in Beziehung treten. In den Ausstellungsraum gebracht beginnen die Farben auch bild- und serienübergreifend miteinander zu korrespondieren und sich zu einer komplexen räumlichen Einheit zu verbinden. Farben, Formen und Strukturen finden zusammen und bilden so das Vokabular einer Sprache. Maria Magdalena Z'Graggen selbst spricht über ihre Malerei häufig in Analogie zur Poesie. Malerei versteht sich demnach als eine Form der Komprimierung sinnlicher Wahrnehmung. Oder anders gesagt: Z'Graggen Malerei ist eine Form von Dichtung.